Schon seit längerer Zeit beschäftigt sich Europa mit der Frage, ob der Einsatz von Lootboxen in Spielen und Apps als Glücksspiel angesehen werden muss. Dieser Frage wollen nun insgesamt 16 Glücksspielbehörden auf den Grund gehen und sich die so genannten Beutekisten einmal genauer anschauen. Aus bisher ungenannten Gründen ist Deutschland allerdings nicht mit dabei. Die besagten 16 Behörden haben dagegen gemeinsam eine Erklärung abgegeben, aus der hervorgeht, dass Lottoboxen und ähnliche Modelle, die in Videospielen gerne Verwendung finden, einer genaueren Prüfung unterzogen werden.
In der Erklärung, die Deutschland offenbar nicht betrifft, heißt es: „Wir wollen zusammenarbeiten, um die Eigenschaften von Videospielen und Gaming in sozialen Netzwerken gründlich zu analysieren. Wir sind zunehmend besorgt darüber, dass die Grenzen zwischen Glücksspiel und anderen Formen digitaler Unterhaltung wie Videospielen verschwimmen.“ Sie Sorge darum ist tatsächlich nicht ganz unbegründet, denn sowohl Lootboxen als auch immer mehr Spiele in sozialen Netzwerken verlangen ihren Spielern eine Menge Geld ab. An der Prüfung beteiligt sind unter anderem Österreich, Großbritannien und Frankreich. Alle Behörden haben die Erklärung offiziell unterzeichnet. Das Problem an vielen Social Games und Videospielen ist, dass immer häufiger Glücksspiel-Charakteristika erkennbar werden. Sobald die Prüfung der 16 Glücksspielbehörden abgeschlossen ist, muss man sich natürlich überlegen, wie sich die Vorschriften der jeweiligen Glücksspielverträge anpassen lassen, um auch beim Thema Lootboxen der Gefahr einer Spielsucht vorzubeugen – zumal von dieser Problematik immer mehr Jugendliche und Kinder betroffen sind, die das Ausmaß der Beutekisten und die Risiken in keiner Weise abschätzen können.
Das steckt hinter den Lootboxen
Hierzulande werden Lootboxen auch als Beutekisten bezeichnet. Dahinter verbergen sich Pakete mit Zusatzinhalten für verschiedene Spiele, die kostenpflichtig erworben werden können. Selbst bei Spielen für Kinder sind diese Boxen häufig zu finden. Wer nun neue Waffen, die Einrichtung seiner Räume, Kostüme oder dergleichen benötigt, muss beim Kauf oftmals tief in die Tasche greifen. Problematisch ist außerdem, dass den Spielern nicht immer gleich mitgeteilt wird, was sie im Einzelnen für ihr Geld erhalten. Diese „Überraschungspakete“ führen erst recht zu weiteren Käufen, denn viele Gamer zahlen so lange, bis sie die eigentlich erforderlichen Zusatzinhalte auch tatsächlich bekommen. In die Kritik geraten sind Lootboxen vor allen Dingen durch Spiele wie Battlefront 2. Hier wurde kurzerhand ein Schlussstrich gezogen, der Shooter kommt nun komplett ohne diese käuflichen Pakete aus.
Ziel der 16 Behörden ist nun, eine gewisse gemeinsame Richtlinie zu finden, nachdem man dem Konzept der Lootboxen detailliert auf den Grund gegangen ist. Wie Verbote und Gebote am Ende umgesetzt werden, das ist allerdings wieder Ländersache. Jede Nation muss demnach für sich entscheiden, in welcher Form das Glücksspielgesetz angepasst wird – auch und gerade, um den Jugendschutz zu gewährleisten. Zum aktuellen Zeitpunkt ist erst einmal nicht davon auszugehen, dass alle unterzeichnenden Länder Lootboxen gänzlich verbieten werden. In erster Linie sucht man bewusst den Dialog mit den Spielentwicklern, denn am einfachsten lässt sich Konflikten vorbeugen, indem alle an einen Tisch gebracht werden und dort über Lösungen nachdenken, die für beide Seiten annehmbar sind. Dies geht auch aus dem Schreiben hervor, das von den Behörden unterzeichnet wurde: „Wir erwarten, dass diese Erklärung zu einem konstruktiven Dialog zwischen Glücksspiel-Regulatoren und verantwortungsbewussten Spieleentwicklern führen wird.“
Deutschland hält sich raus
Während Behörden wie die der Isle of Man, Gibraltar, Großbritannien, Spanien, Polen und Frankreich an einer Lösung arbeiten, bewegt sich in Deutschland rein gar nichts. Hierzulande kocht jedes Bundesland sein eigenes Süppchen, und bis heute wurde keine Glücksspielbehörde eingerichtet, die deutschlandweit Einfluss auf das Geschehen nimmt. Der CMS Wirtschaftskanzlei-Anwalt Dr. Patrick Ehinger erklärt in einer schriftlichen Stellungnahme: „Die zuständigen Landesbehörden haben sich bisher weder zur Frage der Zulässigkeit von Lootboxen geäußert, noch haben sie entsprechende Verbote ausgesprochen. Die Jugendschutzinstitutionen USK und KJM sehen nach ihrer eigenen Einschätzung aktuell aus rechtlicher Sicht keinen Anlass, Lootbox-Systeme bei der Prüfung der Altersgrenzen für Games zu berücksichtigen und solche Spiele zum Beispiel auf „USK ab 18“ herauf zu stufen.“
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommen offenbar auch die Landesbehörden – respektive deren jeweilige Glücksspielaufsicht. Hier gibt es derzeit offensichtlich keinerlei Handlungsbedarf. Deutschland ist aber nicht der einzige EU-Staat, der nicht unterzeichnet hat. Auch Italien, Schweden und die Schweiz haben die Erklärung bisher nicht unterzeichnet. Indes befinden sich Niederlande und Belgien auf Kriegsfuß mit den Spielentwicklern. EA hat sich nun dazu entschieden, Belgiens Gesetzgebern den Kampf anzusagen – unmittelbar nachdem Lootboxen in Spielen wie Overwatch, FIFA 18 und Co. offiziell als illegal eingestuft wurden. EA ist sogar bereit, sich an die zuständigen Gerichte in Belgien zu wenden. In diesem Fall müssten sich die Richter einmal mehr mit der Frage auseinandersetzen, ob Lootboxen tatsächlich illegal sind. Kommt man zu dieser Entscheidung, hätte das Urteil sicher auch gewisse Auswirkungen auf andere Länder.
Die 16 Unterzeichner sind sich zumindest darüber einig, dass Lootboxen durchaus eine Art Einstiegsdroge sein können. Einer Studie lassen sich dabei folgende Aussagen entnehmen: „Es ist möglich, dass Lootboxen in Videospielen wie ein Einstiegstor zu anderen Formen des Glücksspiels funktionieren und zu verstärkten Problemen mit Glücksspiel führen.“